Kölner Gesellenstücke 2017


Der Abschluss und Höhepunkt der Ausbildung zur Tischlerin/zum Tischler besteht in der Planung und dem Bau des Gesellenstücks. Die Auszubildenden stellen mit dessen Anfertigung die besonderen Fähigkeiten unter Beweis, die in der Ausbildung erworben wurden. Sie sollen dadurch zeigen, dass beispielsweise Maschinen sach- und fachgerecht eingesetzt und logisches und praktisches Denken angewendet wird. Das Gesellenstück wird innerhalb von 100 Arbeitsstunden im Ausbildungsbetrieb gefertigt und vom Prüfungsausschuss bewertet und benotet.

Die diesjährige Jury beschäftigte sich in ihrer intensiv geführten Diskussion besonders mit der Frage, ob ein Preis in diesem Wettbewerb als Auszeichnung für eine hervorragende Leistung oder (auch) als Ermutigung für den weiteren Weg zu verstehen sei. Fachlich auf sehr hohem Niveau verständigte man sich schlussendlich auf Beides. So kommt es zustande, dass in diesem Jahr neben vier Belobigungen auch vier Preise vergeben werden.
Nicht jede dieser Entscheidungen fiel einstimmig, aber alle konsensfähig. Herausgekommen ist eine angemessene Würdigung eines in mehrerlei Hinsicht bemerkenswerten Jahrgangs der neuen Kölner Tischlerinnen (!) und Tischler. Bei 61 Wettbewerbsteilnehmern, davon neun weiblich, entfielen von den acht Auszeichnungen fünf auf die Arbeiten der Frauen.
Auch dies verstehen wir als Ermutigung. Eine Berufung zu unserem wunderschönen Handwerk ist nicht gebunden an ein Geschlecht, sondern Herausforderung und Erfüllung für alle, die Herz, Hand und Verstand in Einklang zu bringen vermögen.

Mitglieder der Jury:

  • Marco Hemmerling (Technische Hochschule Köln)
    Professor an der Architekturfakultät der Technischen Hochschule Köln und Gastprofessor am Polytechnikum in Mailand. Zuvor lehrte und forschte er an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Er ist berufenes Mitglied im Deutschen Werkbund und dem Bund Deutscher Architekten. Mit seinem Büro SPADE realisiert er experimentelle Projekte an der Schnittstelle von Mensch, Raum und Technologie.
  • Carola Horster (Arbeitskreis Museum für Angewandte Kunst Köln)
    Vorsitzende des Arbeitskreises im Museum für Angewandte Kunst Köln, Vorstandsmitglied der Overstolzen-Gesellschaft und somit des Fördervereins des MAKK. Führungen durch die Ausstellungen im MAKK. Tochter eines Architekten und einer Innenarchitektin sowie Schreinerin, Enkelin eines Schreinermeisters, Apothekerin.
  • Johannes Niestrath (Konradin Medien GmbH, dds-magazin für möbel und ausbau)
    Tischlermeister, Redakteur beim Fachmagazin dds im Bereich Gestaltung/Konstruktion und Ausbildung. Regelmäßige Juryarbeit im Wettbewerb "die gute form", vorwiegend auf Landes- und Bundesebene.
  • Erik Sandoval Pickert (Möbeldesigner)
    Studium an der Ecosign - Akademie für Gestaltung in Köln mit Schwerpunkt nachhaltiges Produktdesign. Freiberuflich tätig als Designer für unterschiedliche Unternehmen und  Projekte im Bereich Visualisierung, Entwurf für Messestände und Produktdesign und für eigenes Label.
  • Christian Schaller (Schaller Architekten Stadtplaner BDA)
    Architekt und Stadtplaner, Studium an der TU Berlin - Diplom Ingenieur Architekt. Mitarbeit bei Fritz Schaller. U.a. Vorsitzender BDA, Bezirksgruppe Köln. Verschiedene Auszeichnungen und Preise. Gestalter des Umbaus von Domtreppe und Bahnhofsvorplatz in Köln.

Katharina Müller
Nähtisch

Ausbildungsbetrieb:
Tischlerei Reinform e. K.

Begründung der Jury:
Wenn man der Auffassung ist, dass Gestaltung ein einfacher Prozess sein kann, wenn man nur dafür sorgt, dass die Form der Funktion folgt, dann ist dies hier nahezu in Vollendung gelungen. Das Stück ist tief in seiner Funktion verwurzelt, und seine Gestalt von hier aus im Wortsinn radikal erdacht. Hinzu kommt die Faszination, dass es sich eindeutig um ein handwerkliches Einzelstück handelt, dass nicht im entferntesten an massenkompatibles Design denkt. Darüber hinaus ist die Funktion auch noch ein weiteres Handwerk, dessen Tradition der Industrie fast vollständig zum Opfer gefallen ist. Ein geschreinerter Tisch zum daran Schneidern. Eine wuchtige Demonstration von Hand-Werk im allerbesten Sinne. Die Details werden nach und nach sichtbar, von der klugen und witzigen Stromversorgung bis zum in der Platte eingelassenen Messstab. Je länger man sich mit dem Stück beschäftigt, umso interessanter wird es. Der Tisch steht so fest auf seinen Beinen, dass es fast schon kein Möbel mehr ist, jedenfalls, wenn man das Wort von seiner Herkunft her betrachtet. Er ist: das Gravitationszentrum des Raumes. Die gute Form. Herzlichen Glückwunsch!

Hannah Prinz
Schmuckschrank

Ausbildungsbetriebe:
Tischlerei Dominikus Gehrigk - Möbelphantasie und Hofmann & Krause GbR - dreiviertelholz

Begründung der Jury:
Durchaus möglich, dass man an diesem Möbel zunächst einfach vorbei geht, so schmal und zurückhaltend, wie es sich zunächst gibt. Damit ist der erste Teil der Funktion schon perfekt erfüllt, ist es doch gedacht zur Aufbewahrung der Pretiosen seiner Besitzerin. Diese präsentiert es nach Öffnung der Schubladen auf weiß leuchtendem Holz. Zu dem traditionellsten aller schreinerischen Materialien gesellt sich ein extrem modernes: Eine Platte aus Filz, gleichzeitig starr und flexibel. Kurzum: Ein Möbel, dass dem Anspruch der Shaker folgt, dass man etwas nur dann bauen sollte, wenn es notwendig und nützlich ist, aber nach Sicherstellung dieser zwei Attribute ohne Zögern schön gebaut werden sollte.
Die Jury gratuliert zum zweiten Platz.

Anna-Katharina Gonzalez Silva
Spieleschrank

Ausbildungsbetrieb:
aspekt schreinerarbeiten e.K.

Begründung der Jury:
Manche Formen sind so klar, dass sie genau dadurch Rätsel aufgeben. Da steht ein hellgrauer Monolith im Raum, versehen mit ein paar Fugen und Bohrungen und verrät über sich zunächst: Nichts. Will man herausfinden, wo und wie sich hier etwas öffnet, muss man sich dem Schrank im Wortsinne spielerisch nähern, also ausprobieren, hier ziehen, da drücken, und plötzlich öffnen sich 2 einander gegenüberliegende Türen; geben den Blick frei auf eine Fachaufteilung mit einer hochinteressant verstellbaren Rückwand und einem schönen, durchgehenden Schubkasten, der sich zu beiden Seiten hin öffnet. In der Farb- und Materialauswahl ebenso modern wie zeitlos, verdient sich dieser Spieleschrank souverän einen weiteren zweiten Preis.

Henning Dierkes
Schreibtisch

Ausbildungsbetrieb:
Markus Müller-Rübenach

Begründung der Jury:
Die Zahl drei: Drei Materialien, drei Oberflächen, drei Haptiken, drei Farben, drei Gerüche. Ein Stück für alle Sinne. Obendrein fein konstruiert in der Verbindung traditioneller und moderner Handwerkstechniken, Understatement im besten Sinne. Es muss großen Spaß machen, daran zu lesen oder zu arbeiten. Ein guter, ausgereifter 3. Platz. Glückwunsch!

Judith Merten
Sekretär

Ausbildungsbetrieb:
Buchal & Krings GbR

Begründung der Jury:
Ein Klassiker, anders kann man es nicht beschreiben. Früher hätte man ein solches Möbel wohl einen Damenschreibtisch genannt, und mit diesem Charme kommt es auch daher. Obschon es gestalterisch nicht unbedingt eine Neuerung darstellt, hat es die Jury vor allem im feinfühligen Umgang mit den verwendeten Materialien und der klugen und filigranen Dimensionierung der Funktionselemente - man sollte sagen - entzückt.

Carolin Nahrendorf
"Alternation" Stehpult

Ausbildungsbetrieb:
Volker Hilfert

Begründung der Jury:
Das Sprichwort sagt: „Versuch macht kluch“. Und so ist es denn auch. Dieser wilde Kampf zwischen Statik und Dynamik hat die Jury in den Bann geschlagen. Da schon Dank des Gewichtes mehrere Personen notwendig sind, um zwischen den Funktionen dieses außergewöhnlichen Möbels zu wechseln, hat sich die Jury auch geschlossen darum versammelt, um es auszuprobieren. Ein Stehpult wird zum Schreibtisch wird zum Stehpult. Es steht schwer, dann schwankt es, fängt sich wieder und ringt um Balance. Technisch gesehen ist hier wohl noch etwas zu tun, aber an Mut und Risikobereitschaft ist das Stück kaum zu überbieten. Dafür die Anerkennung der Jury.

Lukas Rudig
Schreibtisch

Ausbildungsbetrieb:
Westdeutscher Rundfunk

Begründung der Jury:

Die Materialauswahl gleicht dem vorgenannten Stück fast bis aufs Haar. Gezeigt wird hier allerdings ein völlig anderer, doch nichtsdestoweniger überzeugender Umgang damit. Dieser Schreibtisch strahlt eine gravitätische Stabilität aus, die sofort einlädt, daran zu sitzen und zu arbeiten. Und sich danach den geistigen Getränken zu widmen, die so wunderbar in das in der Tischplatte eingelassene Fach passen würden. Nicht jede Funktion ist selbsterklärend, aber in Summe zeigte sich die Jury überzeugt von der Qualität des Stücks.

David Sieverding
Sekretär

Ausbildungsbetrieb:
Tischlerei Collenberg

Begründung der Jury:
Dieses Möbel leuchtet, ganz ohne LEDs. Vor allem die Farb- und Materialauswahl im Inneren hat es der Jury angetan. Eine klare, offene Form, Eindeutigkeit in der Bedienbarkeit und wenige, klar definierte Funktionen machen aus dem Stück eine im Wortsinn runde Sache. Man mag streiten, ob die Materialdimensionen überall angemessen sind, auch ob die handwerklichen Details bis zur Finesse ausgereift sind. Aber insgesamt hat sich dieser Sekretär das Lob der Jury auf jeden Fall verdient.